24h-Rennen Nürburgring 2009 

Tagebuch von Hans Martin Gass

 

 

unser Renngerät mit der Startnummer 107, ein Audi A3 T SFI

 

Anreise am Mittwoch. Um 21:00 ist bereits Ende der Abnahme. Papierabnahme, technische Abnahme von Helm/HANS/Overall/Unterwäsche werden pro Fahrer durchgeführt.

Damit das Team auch das Auto abnehmen lassen kann, benötigen sie noch meine Rückspiegel vom grünen A3, denn dort sind die Startnummernbeleuchtungen vom 24h-Rennen 2007 noch eingebaut und die werden bei der Abnahme kontrolliert. Also reisen wir nachmittags mit dem Womo an und beziehen unseren Stellplatz am Teilnehmer-Campingplatz. Dort stehen wir zum ersten Mal und fühlen uns sofort wohl. Mitten im Grünen und trotzdem nur 10 Minuten Gehweg vom Team-LKW im Fahrerlager entfernt, Toiletten und Duschcontainer gibt es auch, also sehr komfortabel wohnen für die nächsten 5 Tage. Umgeben von Gleichgesinnten sind ruhige Nächte zu erwarten, da alle fit sein wollen …

Alle Abnahmen laufen glatt, man hat noch nicht mal die sonst üblichen, mindestens halbstündigen Schlangen bei Papierabnahme, Klamottenkontrolle und Fahrzeugabnahme. Man wird auch mit Helm und Kleidung gewogen, der Wert festgehalten und mit der aufgeklebten Helmnummer dem Fahrer zugeordnet. Dies dient bei Kontroll-Wiegungen während des Rennens zum Berechnen des Netto-Fahrzeuggewichtes. Diesmal bekommen sowohl Helm als auch HANS solch einen leuchtfarbenen Aufkleber, ist jetzt schon der vierte auf meinem „neuen“ Helm …

Auch mit dem Auto halten sich die Kommissare nicht übermäßig lange auf, ist ja das ganze Jahr schon VLN gefahren. Lampen, Pflichtsponsoren und Ansaugung sind schnell überprüft.

Später, am Sonntag hebt der Streckensprecher mehrmals hervor, dass unser Auto, ebenso wie die Werks-Sciroccos, nur mit Serienscheinwerfern ohne den üblichen Zusatz-„Christbaum“ durch die Nacht fährt, was wohl auf fantastische Qualität in Serie schließen ließe. Im Prinzip stimmt das, allerdings sind in jedem Gehäuse zwei Xenon-Scheinwerfer eingebaut, sozusagen Bi-Bi-Xenon.
… und das reicht wirklich!

Die neu eingeführten Air-Restrictoren bereiten den Teams erhebliche Probleme und Kosten, da sie eine Neuabstimmung des Motormappings erfordern. Als kostensparende Alternative wird angeboten, mit Serien-Luftansaugung und dafür ohne Restrictor zu fahren. Die gesamte Ansaugluftstrecke incl. Luftfilter und Turbolader muss mit Teilenummern dokumentiert und genehmigt werden und ein Leistungsdiagramm abgegeben werden, das während des Rennens und danach identisch eingehalten werden muss.

 

 

die Fahrertruppe der Startnummer 107, mein „Raeder-Team

 

Mein Raeder-Team hat sich inzwischen häuslich eingerichtet und mit den beiden Autos – außer unserem A3 noch der Ford GT in Osram-Lackierung, der diesmal wegen Brandschaden den Lambo ersetzen muss - die Box 21 bezogen. Außer uns ist in der Box nur das Audi-Team Phönix, das zwei der 4 neuen Audi R8 LMS einsetzt.
Der Vorteil ist, dass wir nur 4 Autos in einer Box sind. Ein unglaublicher Luxus, denn zu Zeiten von über 260 Nennungen waren bis zu 8 Autos in einer Box zusammengepfercht. Diesmal sind es „nur“ 175. Außerdem pflegt Phönix seine Autos vor dem Rennen ausschließlich im Zelt beim LKW, so dass wir bis zum Rennstart die Box tatsächlich für unsere beiden Renner ganz allein haben!
Allerdings ist die große Aufmerksamkeit in unserer Box durch die R8 (und natürlich auch wegen unseres spektakulären und ein wenig exotischen Ford GT, der erst zum zweiten Mal überhaupt bei einem Langstreckenrennen eingesetzt wird) mit einem großen Fan-Auftrieb verbunden. Da hier alle aber sehr diszipliniert sind und sich auskennen – WAHRE Fans eben! – ist das überhaupt nicht unangenehm oder störend.

 

Die Autos sind top-vorbereitet, also geht der Abend stressfrei zu Ende. Sabine und ich holen uns vom „Kesselchen“ im historischen Fahrerlager noch eins der berühmten Schnitzel und Salat und ziehen uns mit den Hunden ins Womo zurück - ausschlafen.

 

 

vor der Box in der Vorbereitung

 

Donnerstag ist vormittags Pflicht-Fahrerbesprechung und nachmittags erstmals ein freies Training. Hier wollen wir eine ganz neue Fahrwerksabstimmung testen, die noch am Prüfstand bei KW ausgetüftelt wurde. Sie weicht so stark von der vorher eigentlich gut beurteilten VLN-Abstimmung ab, dass man sich nicht ganz sicher ist, ob das wirklich funktionieren wird.

Aber die Bedenken sind nach den ersten Metern zerstreut, das Auto liegt super stabil, lenkt trotzdem blitzartig ein, ist technisch völlig i.O. und die Zuversicht steigt! Ich komme hier noch nicht zum Einsatz. Seit einem Jahr habe ich nicht im Auto gesessen, kann daher die Veränderung nicht beurteilen und vor solch einem langen Rennen müssen Runden gespart werden.

 

Das traditionelle Nachttraining 19:00-23:30 wurde heuer von Freitag auf Donnerstag vorgezogen. Die zwei Zeitrunden, die jeder Fahrer pflichtgemäß fahren muss, um sich fürs Rennen zu qualifizieren, wollen wir hier schon abhaken, Nachts die Lichter kurz testen und dann eigentlich nur noch das Rennen kommen lassen. Natürlich kommt es auf der Nordschleife anders, als man plant und pünktlich zum Training fällt Regen …

Trotzdem halten wir den Plan ein, dass ich mit meinen Runden beginne, starte also mit Regenreifen und taste mich in der ersten, noch sehr nassen Runde ans Auto und die Nordschleife heran. Es hat aber schon wieder aufgehört zu regnen und der GP-Kurs trocknet ab, als ich in die zweite Runde gehe. Thomas Claas, unser Fahrzeugingenieur lässt mir am Funk offen, ob ich reinkomme oder weiterfahren will. Ich entscheide mich für eine weitere Runde auf Regenreifen, da ich weiß, dass die Nordschleife noch nass war, bestenfalls teils eine trockene Spur haben wird. Also rolle ich vorsichtig um den schon trockenen GP-Kurs und forciere erst etwas mehr, als ich auf die feuchten Streckenteile komme. Wäre ja Blödsinn, hier die teuren Regenreifen sinnlos zu verheizen. Die Quali-Zeit wird eh ein anderer fahren, wenn es ganz abgetrocknet hat.

Meine Empfehlung ans Team nach dieser Runde ist, ein wenig zu warten, bis es ganz trocken ist und dann dem nächsten Fahrer mit Slicks schnelle und sichere Runden zu ermöglichen. Leider habe ich die Eifel mal wieder falsch eingeschätzt, so dass es kurz darauf erneut zu regnen beginnt und jetzt auch nicht mehr aufhört. Damit beleibt meine zweite Runde als vorerst schnellste des Autos fürs erste Zeittraining stehen. Trotz Reifenschonen war sie aber gar nicht so schlecht, denn die Werks-Sciroccos – der absolute Maßstab in unserer Klasse SP3T – sind auch nur bis zu 10 sec schneller gefahren.

Am Ende fährt Elmar Deegener nur noch seine 2 Runden im Dunkeln als den geplanten Lichttest und die beiden anderen (Jürgen Wohlfarth und Christoph Breuer) müssen doch am Freitag noch im 2. Quali ran, um trockene Zeiten für die Startaufstellung zu fahren.

 

Am Freitag lacht wieder die Sonne und so ist klar, dass heute die schnellen Zeiten fallen werden.

Das 2. Qualifying beginnt mit einem Paukenschlag von Raeder Automotive. Die großen Klassen, die ums Gesamt fahren, werden 3 Minuten vor dem restlichen Feld raus gelassen, um ihnen eine freie Runde und unbeeinflussten Kampf um die Pole zu ermöglichen. Den Raeder-Ford GT fährt Dirk Adorf und das Fernsehen ist live drauf, alle Teams stehen gespannt vor den Monitoren. Als sie zur Döttinger Höhe kommen, wird klar, dass der vorn fahrende Audi sich nicht absetzen konnte und der nächste R8 dem GT einen super Windschatten gibt. Als sie über die Ziellinie kommen und die Zeiten auf dem Monitor erscheinen ist der Jubel groß, Dirk hat die favorisierten Audis geschlagen und auch der Manthey-Porsche muss um nicht mal 2/10 sec passen! Pole für unser Team beim 24h-Rennen 2009! Ein wahnsinnig wichtiges Ausrufezeichen und Aufmerksamkeitspunkt fürs Raeder-Team!!

 

Im A3 versucht Christoph, die Gunst der Stunde zu nutzen und erwischt ebenfalls eine tolle erste Runde. Er stellt den A3 direkt hinter den schnellsten der drei Werks-Scirocco auf den zweiten Startplatz der Klasse. Da die Startgruppen im Interesse des VW-Werks so sortiert sind, dass SP3T an der Spitze der 2. Startgruppe stehen, bedeutet das die zweite Startreihe, denn einer der beiden Gas-Sciroccos aus der Klasse „Alternative Treibstoffe“ ist noch schneller gewesen, als die SP3T.

Auch Jürgen ist genau so schnell unterwegs, hat aber am Ende seiner zweiten Runde ein kleines Missverständnis mit einem Konkurrenten. Dies sollte die einzige „Feindberührung“ des gesamten Wochenendes bleiben, ohne nennenswerte Beschädigung!

Die einzige „überzählige“ Runde im Training bekomme ich, um nach einem Jahr auch bei Trockenheit mal das Auto gefühlt zu haben, denn es soll diesmal ein trockenes 24h-Rennen werden. Völlig ohne Risiko und ganz locker mit einem begeisternden Fahrverhalten des Autos vertraut werdend, habe ich eine recht freie Runde und mir fehlen nur gut 6 sec auf unsere schnellste Zeit. Nachdem Christoph auch im letzten Versuch, die Sciroccos mit seiner 2. Zeitrunde noch mehr zu ärgern, trotz gutem Gefühl langsamer bleibt, als in seiner schnellsten, ist klar, dass die Strecke nicht mehr so viel hergibt und ich bin mit meiner Zeit umso zufriedener. So kann ich die 24 Stunden bis zum Start beruhigt und mit der Gewissheit, alles im Griff zu haben, abwarten.

 

 

Martin steigt ein

 

Wir können es kaum glauben und auch die erfahrenen Schrauber werden langsam unruhig, aber immer noch ist am Auto technisch alles in Ordnung und keine großen Arbeiten fällig. Der A3 wird geputzt und gestreichelt und darf dann aufs Rennen warten.

 

Am Samstag dann schönster Sonnenschein zum Rennen. Die Startaufstellung, wie immer voller Fans und schriller Typen, verbringen wir mitten zwischen Sciroccos und auch der Norweger-Audi TT hat sich noch neben uns gemogelt. Auch wenn ich sonst keine mag: für die Team-Fotos trage ich die Keiper-Recaro-Mütze voller Überzeugung!

Dann geht es endlich los. Im Vorjahr hatte es Christoph geschafft, sich beim Start schon am Weg zur ersten Kurve an den Sciroccos vorbei in Führung zu schieben. Das selbe Kunststück wird Jürgen heuer auch versuchen. Schließlich wird das live in alle Welt übertragen. Da kann man schon mal einen Glanzpunkt setzen, wenn es gefahrlos möglich ist. Mit Gewalt wird das natürlich nicht versucht, schließlich geht das Rennen etwas länger als eine Kurve …

Zuerst startet aber die erste Startgruppe mit den Gesamtsieganwärtern. Auch hier ist ja Raeder prominent mit dem GT auf Pole vertreten und tatsächlich gelingt es, das Auto in den ersten Runden in Führung zu behalten.

Der Jubel in der Team-Box wird bei Jürgens Start vollständig, der tatsächlich die beiden vor ihm startenden VW überholen kann und als erster in die Kurve einbiegt! Raeder 2x vorn!!!

Leider wird die Übertragung dadurch beendet, dass der GT sich bei einem Überrundungsmanöver dreht und die Führung an Manthey verliert. Dass sich unser A3 in den folgenden Runden bis zum ersten Stopp gnadenlos von allen Werksgegnern absetzen kann, sehen nur noch die Fans, die vor Ort sind. Tolle Leistung von Jürgen! Bei der Siegerehrung am Sonntag erhält er verdientermaßen den Respekt vom VW Werks-Junior Jimmy Johansson, der noch 24h später von dem „great Fight“ schwärmt!

 

 

auch in der Nacht geht es voll zur Sache

 

Als nächster steigt Elmar ein, hat aber schon nach 2 Runden Probleme. Die Hinterreifen sammeln so viel „Pick-Up“, also herumliegende Gummireste auf, dass das Fahrverhalten sich vom stabilen Lämmchen zum giftigen Übersteuerer verändert. Bis zum Ende seines Stints verliert er dadurch sehr viel Zeit auf die VW, die dieses Problem nicht zu haben scheinen. Christoph als dritter Fahrer kann durch brutale Fahrweise in ungefährlichen Kurven dieses Problem leidlich überfahren und der Luftdruck wird etwas erhöht. Für meinen Turn nehme ich mir vor, so wenig wie möglich von der Ideallinie abzuweichen und bekomme genau diese Anweisung auch noch direkt vorm Einsteigen von Teamchef Nicki Raeder mit auf den Weg.

Auf Platzierungen schielen wir nur ganz am Rande, zuerst müssen wir fahren! Um diese Zeit sind wir in jedem der letzten Jahren schon mindestens einmal heftig am Schrauben gewesen, diesmal aber läuft der A3 wie eine Eins.

Hinsichtlich Benzinverbrauch haben wir konservativ begonnen und Jürgen und Christoph je 8 Runden fahren lassen. Elmar hat aufgrund der Probleme nach 7 Runden abgegeben, aber der Verbrauch hat so gut ausgesehen, dass ich 9 Runden fahren soll. Um kurz vor 20:00 steige ich ein. Unsere Taktik der unbedingten Ideallinie hat sich offensichtlich aber auch zu den anderen Teams rumgesprochen, die wohl alle mehr oder weniger ähnliche Probleme haben, so dass Überholen relativ schwer gemacht wird. Auch die Streckenposten gehen, meiner Meinung nach, dieses Jahr mit blauen Flaggen wesentlich sparsamer um. Man muss zwangsläufig durch den Dreck, oder länger warten, bis man eine andere Möglichkeit vorbei findet. Und Abrieb liegt diesmal mehr herum, als ich mich je erinnern kann. Auf bestimmten Stücken gibt es gar keine Linie, wo es nicht im Radhaus prasselt. Anschließend kann man die nächsten Kurven vergessen und insgesamt wird man nicht mehr alles los und der Effekt wird immer schlimmer. Am unangenehmsten fährt es sich auf den besonders schnellen Streckenteilen mit mittlerer Querbeschleunigung und leichten Wellen, wie z.B. Quiddelbacher Höhe über Flugplatz bis Schwedenkreuz und Bergwerk über Klostertal und Mutkurve bis Steilstrecke. Hier fährt das Auto nahezu wohin es will, da die Hinterreifen auf dem innen angesammelten Dreck rutschen, während sie bei hoher Querbeschleunigung wenigstens auf dem schneller frei werdenden Außenrand haften.

Ich bin nicht zufrieden. Wegen relativ viel Verkehr, ein paar Gelbphasen und, trotz aller Bemühungen, zunehmendem Pickup komme ich nicht auf die Zeiten, die ich mir vorgestellt hatte, auch wenn ich deutlich besser klar komme, als Elmar zuvor.

Dann plötzlich die seltene Stimme vom Teamchef auf dem Funk: ich habe im dichten Verkehr und der hereinbrechenden Dunkelheit – einige langsamere Teilnehmer hatten sich vor mir gegenseitig überholt und ich musste mich vorbei arbeiten, dabei noch einen schnelleren passieren lassen – vom Schwedenkreuz zum Aremberg die Scheinwerfer unseres Ford nicht erkannt und Dirk Adorf nicht Platz gemacht! Im selben Moment sticht er aber in die Fuchsröhre hinab an mir vorbei – peinlich, ich werde mich nachher bei ihm entschuldigen.

Die letzten 2 Runden werden immer schwieriger, schließlich übergebe ich halb zehn mit gemischten Gefühlen wieder an Jürgen. Das Auto läuft völlig problemlos und ich hab keine wirklichen Fehler gemacht, aber der Pickup hat mir den Schneid abgekauft.

Ich esse ein wenig, verarbeite die Fahrt und sollte dann am besten ein Stündchen schlafen. Das gelingt aber nicht, da ich noch zu viel Adrenalin in mir habe, ich spüre meinen Puls schlagen und komme nicht zur Ruhe.

 

 

geschafft aber glücklich nach einem harten Turn

 

Um 1:50 bin ich das nächste Mal dran und fahre bis 3:30 nochmals 9 Runden bei Dunkelheit. Die macht mir nichts aus. Im Gegensatz zu Rallyes, wo man im stockfinsteren Wald über Kuppen und durch Senken von den besten Scheinwerfern wenig hat und obendrein die Strecke schlechter kennt, ist es auf der Nordschleife selten wirklich ganz dunkel. Meist hat man jemanden vor sich, der schon die nächste Kurve ausleuchtet und die Fans mit ihren Raketen, Lichterketten, Discolichtern und Scheinwerfern rund um die Strecke sorgen für eine gewisse Basis-Beleuchtung. Lediglich das Risiko, etwas zu übersehen, ist nachts höher. Zwar wechseln die Streckenposten dann von Flaggen auf Leuchttafeln zur Signalisierung, aber die glimmen nur relativ dunkel. Wenn auf der Strecke aber Teile liegen, oder noch schlimmer eine Flüssigkeitsspur, sieht man die wesentlich später oder gar nicht.

Gleich in meiner ersten Runde aus der Box („Outlap“) komme ich auf der Rückseite des GP-Kurses überraschend in eine Baustelle. Nach einem Unfall in der NGK-Schikane, dessen Beseitigung alle Runden meines Stints andauern würde, werden alle für ca. 200 m von den Marshalls gnadenlos auf Schrittgeschwindigkeit herunter gebremst, einmal sogar ganz angehalten. Die Strecke wird mit Pylonen so schmal gemacht, dass nur eine Spur bleibt und man mit den rechten Rädern nicht mal auf Asphalt fahren kann, sondern auf die Rattersteine muss. Klar, die dort arbeiten müssen, dürfen nicht gefährdet werden und einige Teilnehmer würden das im Wettbewerbsstress nicht beachten. Der Titelverteidiger Manthey-Porsche kassiert für mehrmaliges zu schnelles Durchfahren eine 3-Minuten Stopp-and-Go-Strafe! Ich höre später im Fernsehen, wie Manthey sich darüber aufregt, sein Fahrer wäre nie und nimmer schneller als 50 km/h gefahren. Aber 50 war an dieser Stelle sicher viel zu schnell, dann ist klar, dass die Posten ihn melden! Um keinen politischen Ärger aufkommen zu lassen, wird ihm die Strafe später wieder gut geschrieben. Bei solchen Gelegenheiten kommt halt schnell der Verdacht hoch, die anderen Werke würden bevorzugt … Die Problematik wird aber jedes Jahr von Anfang an bei der Fahrerbesprechung erklärt und rigoroses Durchgreifen angekündigt. Da man sich als kleines Team nicht auf politische Einflussnahme berufen oder gar verlassen kann, muss also die Devise lauten, hier keinesfalls ein Risiko einzugehen. 3 Minuten Stehen wäre das letzte, was wir haben wollen!

Ich beobachte im Rennen immer wieder, dass andere in Gelb-Bereichen härter fahren (z.B. auch die Werks-Sciroccos), will mir aber keinesfalls einen Vorwurf machen müssen und halte mich eisern zurück. Trotzdem passiert es mir in der Outlap, dass ich gerade einen anderen Teilnehmer überholen will, als wir zum ersten Mal zu der Gefahrenstelle kommen. Ich sehe die gelben Tafeln spät und gehe sofort vom Gas. Möglicherweise hat der andere die Stelle schon gekannt und ist deshalb langsamer gewesen? Ich will auf Nummer sicher gehen und ihn wieder vor lassen, aber er bleibt neben mir, bremst mit ab und lässt mich nicht. Bei der Engstelle kann ich nicht anders und muss vor ihm einscheren, ich denke nur: hoffentlich geht das durch.

 

 

unser A3 mal von hinten

 

Da alle meine Runden durch die Engstelle viel langsamer als normal sind, weiß ich nicht, wo ich mit meinen Nacht-Zeiten stehe. Persönliches Zwischenfazit: wieder nicht 100% zufrieden, zumindest kann ich mein Selbstvertrauen dadurch nicht aufbessern.

Immer wieder mal hatte auch während der Fahrt die Beleuchtung meines Motech-Displays geflackert. Das war kein Problem, denn es war immer sofort wieder da. Zwei Runden vor Schluss fällt es aber ohne Vorankündigung komplett aus und bleibt diesmal auch aus. Jetzt hab ich nur ein schwarzes Cockpit vor mir und keine Info mehr über den Zustand des Autos, wie Drehzahlmesser, Wassertemperatur oder Ganganzeige. Ich funke Fahrzeugleiter Thomas an und er fragt, ob die ganze Funktion weg ist, oder nur das Licht. Für Notfälle hat das Team am Dach zwei Batterie-LED-Lampen festgeklettet. Ich kann damit erkennen, dass das Motech noch funktioniert, aber fahren kann ich so nicht, ist ja dann drinnen heller als draußen. Also klicke ich das Licht wieder aus. Thomas meint, ich soll eine Runde früher reinkommen, damit sie danach schaun können, aber da die Schaltlampe funktioniert, kann ich auch ohne Drehzahlmesser zuverlässig schalten. Und für die Motorüberwachungen gibt es eine rote Warnlampe, falls was aus dem Ruder läuft. Man braucht also nicht immer unbedingt das Display. Ich fahre meinen Turn planmäßig und ohne Verlust zu Ende.

Irgendwie war jetzt die Strecke viel sauberer als beim ersten Mal – erklären kann ich das nicht – so dass das Pickup-Problem viel geringer war und das Display ist nach Auslesen der Daten und einem Reset beim Fahrerwechsel an Jürgen auch wieder ok.

Diesmal hab ich die nötige „Bettschwere“, dass ich sofort einschlafe und auch der Motorenlärm und die unregelmäßigen Böllerschüsse der Fans können mich nicht davon abhalten.

 

Am frühen Morgen ist am hinteren Querlenker die Federaufnahme gerissen und hat uns alles in allem ca. 30 Minuten Zeitverlust beschert – das einzige technische Problem des ganzen Rennens! Unglaublich, welche Belastungen ein Auto 24h lang aushalten kann! Und sensationell, wie das Team kleinste, sich andeutende Probleme frühzeitig erkennt und so nahezu ohne Zeitverlust beheben kann!!

 

 

Hans Martin bereit für den nächsten Turn

 

Mein letzter Stint beginnt dann Sonntag 11:50. Bis 13:10 fahre ich 8 Runden. Das wird jetzt schon auf eine optimale Zielstrategie hin gerechnet, denn das ganze Rennen über hat sich ein Kampf mit dem 2. Werks-Scirocco um den zweiten Klassenplatz entwickelt, der sich jetzt Richtung Ziel immer mehr zuspitzt. Das ist schon mehr als 4 Stunden vor Schluss klar abzusehen. Sie fahren etwa unsere Zeiten und hatten auch eine ähnliche, kurze Reparaturpause. Jede Runde soll eine Quali-Runde sein, aber immer mit 5% Sicherheit, ohne Fahrfehler und ohne Anlass zu Strafen. Noch immer ist unser kleiner, lieber A3 topfit und läuft und läuft. Es ist sonnig, warm und trocken, ich habe eine weitgehend unproblematische Fahrt ohne besondere Vorkommnisse. Am Ende nimmt der Motor manchmal etwas schlecht Gas an und auf der Döttinger Höhe hat er nicht mehr ganz so viel Leistung wie sonst, aber das fühlt sich noch nicht bedrohlich an. Ich tippe auf schwächelnden Benzindruck aufgrund der hohen Außentemperatur und abnehmendem Benzin. Es wird auch bis ins Ziel kein Problem und so fiebern wir weiter.

Bei meiner Übergabe an Jürgen fällt auf, dass die Federaufnahme wieder beginnt, zu reißen, eine beispiellos ablaufende Hand-in-Hand-Aktion läuft beim Raeder-Team an: zunächst wird Jürgen normal rausgeschickt, um keine Zeit zu verlieren. In der Zeit, als er seine ersten Runden fährt, wird alles für eine Blitzreparatur vorbereitet. Tim, der inzwischen „arbeitslose“ Ford-GT-Chefmechaniker wird mit mehreren Lagen T-Shirts und Polsterungen an den Armen zum Schutz eingetaped, ein Schweißgerät ans Boxentor geschafft, alle Stecker von Monitoren, Ladegeräten und Heizdecken aus den Dosen gezogen, ein Mann direkt am Sicherungskasten platziert. Dann kommt Jürgen wieder rein, wird kurz rückwärts geschoben und hochgehoben. Tim wirft sich unters Auto und schweißt vor seiner Nase im Liegen den Querlenker im eingebauten Zustand! Das ist die mit Abstand schnellstmögliche Variante, ohne nötige Achsvermessung Mit anschließendem Volltanken dauert der Stopp nur wenig länger, als ein Routinestopp mit Fahrer-, Reifenwechsel und Tanken. Nebenbei haben wir uns mit dem so verlängerten Stint von Jürgen in eine hervorragende Ausgangsposition für die Tankstrategie zum Ziel hin gebracht.

 

 

unser A3 vor einer rießigen Verfolgermeute

 

Ab jetzt heißt es nur noch Zittern und Daumen Drücken, dass die Technik uns nicht in letzter Sekunde noch einen Streich spielt, einen Fahrerwechsel auf Christoph und beobachten, was der Scirooco von Altfried Heger und den F3-Junioren von VW macht. Der hatte uns zwar zwischenzeitlich beim Boxenstopp überholt, lag dann knapp vor uns, hatte aber nach unserer Rechnung bis zum Ziel nicht genügend Sprit und so noch einen – wenn auch kurzen – Tankstopp mehr zu absolvieren. Christoph muss also bis zum Schluss alles geben und auch die letzte Runde, die üblicherweise eher gemächlich, den Zuschauern winkend und feiernd und fürs Zielfoto gruppiert absolviert wird, unser Ergebnis ins Ziel kämpfen! Denn es kommt, wie berechnet. Der Scirocco benötigt einen „Splash-and-dash“, fasst Benzin nach und Christoph kann unseren zweiten Platz souverän mit 43 Sekunden Vorsprung nach 24 Stunden (!!) ins Ziel fahren!

Als dann alle durch sind und die endgültige Auswertung am Monitor erscheint, sind wir sogar am Ende noch unter den ersten 20 geblieben! 19. Platz im Gesamt – unglaublich! Mehr ist gegen die Werkskonkurrenz nicht zu erreichen.

 

 

Unser A3 in voller Fahrt

 

Das Auto hat keinen Kratzer abbekommen und der Jubel an der Boxenmauer ist unbeschreiblich. Das ganze Team liegt sich in den Armen und feiert, mit Audi-Fahnen bewaffnet, den Wahnsinns-Erfolg!

Und jetzt kommt noch das Tüpfelchen auf dem „i“! Etwa eine Stunde vor dem Ziel kam ein Herr in unsere Box, der nach „Verantwortlichen des Raeder-Team“ fragte. Alle zogen die Köpfe ein, denn der Herr war vom ADAC und wir dachten schon, wir hätten irgendwas falsch gemacht. Aber er hat uns gleich beruhigt und gute Nachrichten angekündigt! Dann hat er uns erklärt, wenn wir auf Platz 2 oder 3 der Klasse bleiben, sollen wir nach der Zieldurchfahrt vor kommen zum Rennleitungsturm und auch „unsere zweiten und dritten Fahrer mitbringen“, unsere Klasse würde auf dem Treppchen geehrt!

Welche Ehre (natürlich um das Werks-Engagement von VW in unserer Klasse entsprechend zu würdigen)! Vor uns kommt nur die Gesamtsiegerehrung dran, mit Deutschland-Hymne, Pokalen, Sekt spritzen und danach direkt wir! Im Vorbereitungsraum warten die üblichen Wasserflaschen, unterm Podest stehen die drei Autos im Parc-Ferme und vor der Absperrung die Teammitglieder der siegreichen Teams und jubeln uns nach oben zu – alles wie im Fernsehen bei der Formel 1 und wie im Traum! Auch wenn wir zu viert dann nur noch eine Flasche zum Sektspritzen bekommen.

 

 

das grosse Podium

 

Vielen Dank an das ganze Team Raeder Automotive für die tolle Vorbereitung und Betreuung im Rennen und die Chance, wieder mitfahren zu können, Elmar Deegener, Jürgen Wohlfarth und Christoph Breuer für eure überragenden Fahrten, und natürlich auch den vielen Slalom-Fahrern, die uns am Wochenende besucht haben und auch die zu Hause die Daumen gedrückt haben und uns das Glück gewünscht haben, das man einfach braucht und das wir diesmal auch hatten, für eure Unterstützung!

 

 

Hans Martin Gass mit Ehefrau Sabine – „mein grösster Fan“

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