Persönlicher Rennbericht von Elmar Deegener

Die Generalprobe:

„Wochenend und Sonnenschein
und dann mit dir im Wald allein,
weiter brauch ich nichts zum Glücklichsein,
Wochenend und Sonnenschein.“

Was will uns der Dichter damit sagen? Bevor wir dieser Frage auf den Grund gehen, sollten wir uns mit dem Dichter selber und seiner Zeit beschäftigen.

Das Lied wurde 1930 von Charles Amberg getextet. Und Charles Amberg  wurde am 08.Dezember 1894 in Kessenich bei Bonn geboren. In seiner Jugendzeit waren Ausflüge in die benachbarte Eifel die Höhepunkte der Wochenenden. Den ersten Spatenstich zum Bau des Nürburgrings 1925 hat er  live  miterlebt und auch die Eröffnung 2 Jahre später war für die Region ein Jahrhundertereignis.

Wochenend und Sonnenschein, Freizeit und strahlendes Wetter, schöner können die Voraussetzungen doch gar nicht sein..

„Und dann mit dir im Wald allein.“ . Wer ist hier mir „dir“ gemeint? Die Freundin? 1930 war ja eher etwas spießig und solche „schlüpfrigen“ Andeutungen „mit der Freundin alleine im Wald“ na, na ,na , das war dann doch etwas mutig..

Vielleicht war der treue Freund des Menschen gemeint…sein Hund?! Es ist allerdings nicht überliefert, dass Charles Amberg je einen Hund gehabt hätte.

Bleibt eigentlich nur die dritte und logischste Erklärung….das Auto !!! 1930 war die Zeit des Automobils. Wer etwas auf sich hielt, hatte eins. Und der Bau des Nürburgrings war die Manifestierung dieses  Zeitgeistes. Charles Amberg muss also sein Auto gemeint haben !!! Und jetzt macht der Text auch Sinn mit jedem seiner Worte.

Wochenende, tolles Wetter, alleine mit dem Auto im Wald der Eifel, Glück, was willst du mehr???

Genau dieser Zustand herrschte auch an diesem Wochenende. Temperaturen bis 30 Grad, Sonne pur wie im Hochsommer und alleine im TTRS durch die Eifel. Juhuuuuuu.

Das 3. VLN Rennen ist „so zu sagen“ die Generalprobe für das 24 H Rennen 2012. Und es wäre keine Generalprobe, wenn nicht alle auch ein wenig nervös wären.

Eine Generalprobe ist die letzte vor dem großen Hauptereignis. Entsprechend wird die vorletzte auch als Hauptprobe bezeichnet. Somit ist unsere Hauptprobe ja leider vor zwei Wochen in die Hose gegangen.

Den Getriebeschaden vom letzten Rennen haben wir repariert, zumindest was die kaputte Eingangswelle angeht. Die Seele ist aber noch verunsichert und ein letzter Rest Sorge ist noch vorhanden, ob denn jetzt alle Schwachpunkte gefunden und beseitigt sind.

Stichwort Schwachpunkte. Der Vergleich zwischen dem Audi TTS vom letzten Jahr und der Audi TTRS von diesem Jahr sind bestens geeignet um wesentliche Unterschiede aufzuzeigen. Unterschiede zwischen einem Serienauto, das zum Rennwagen optimiert wurde und einem echten Rennwagen, der als Basis die Rohkarosse eines Serienwagens benutzt.

Unser TTS hatte noch sehr viel vom Serienauto. Die gesamte Antriebseinheit aus Motor, DSG-Getriebe und Antriebswellen waren Serie.  Auch die Anlenkpunkte der Achsen und damit die Achskinematik wurde vom Serienauto übernommen.

Ganz anders der TTRS. Ist der Motor, wie beim TTS, noch seriennah, so handelt es sich beim Getriebe um ein automatisiertes, mechanisches Getriebe von Drexler. Geschaltet wird zwar wie beim DSG über Schaltwippen am Lenkrad, das Getriebe funktioniert aber eigentlich wie ein normales sequenzielles Getriebe; nur das die Gänge nicht per Hand gewechselt werden, sondern über einen pneumatischen Zylinder. Die wesentlichen Vorteile sind,  geringerer Leistungsverlust auf dem Weg vom Motor zu den Rädern und ein geringeres Gewicht.

Auch das Fahrwerk hat mit der Serie nichts mehr zu tun. Durch sogenannte „Fahrschemel“ werden neue Anlenkpunkte für das Fahrwerk geschaffen, die optimal zu der Tieferlegung des Fahrzeugs passen. Auch die breitere Spur wird über die neuen Fahrwerkslenker erreicht, so dass am Ende auch neue Antriebswellen die Verbindung zwischen Motor und Getriebe herstellen müssen.

Wie man sieht, sehr viel neue Teile. Und neue Teile heißt auch immer „neues Risiko“ für Defekte.  Audi hat zusammen mit Raeder  Motorsport einen großen Aufwand betrieben um nur erprobte Teile an die Kunden auszuliefern. Aber es ist nachvollziehbar, dass der Erprobungsaufwand nicht mit der Großserie vergleichbar ist. Und natürlich wird das Material im Rennsport immer maximal beansprucht  und da können auch mal Situationen entstehen, die man gar nicht vorhersehen kann.

Zurück zum Rennen. Jeder hatte sicher schon mal die Situation, dass etwas nicht so toll gelaufen ist oder sogar fehlgeschlagen ist. Dann grübelt man und überlegt …warum,  wieso und hätte man etwas besser machen können u.s.w.  . Erst wenn man eine Chance hat das Gleiche noch einmal zu tun und diesmal besser und erfolgreicher, hört das Grübeln auf.  Genau in dieser Situation waren wir nun vor dem 3. Rennen. Wir konnten es kaum erwarten ins Auto zu steigen um den Ausfall vor 14 Tagen aus dem Kopf zu kriegen.

Und einer konnte es noch weniger erwarten als alle anderen, das war Christoph. Beim ersten Rennen kam er nicht zum Einsatz wegen des Rennabbruchs, beim letzten Rennen war das Getriebe Schuld.  Mehr als nachvollziehbar, dass beim Anblick unseres wieder genesenen TTRS sein Speichelfluss dramatisch zunahm. Deshalb war es auch nachvollziehbar, dass am Freitag die ersten Runden für ihn besonders wichtig waren. Der TTRS lief wieder wie ein Uhrwerk. Dem Rennen am Samstag konnten wir so beruhigt entgegensehen denn mit den Runden am Freitag waren alle Sorgen wie weggeblasen.

Das Wetter am Freitag war zwar alles andere als toll, mal Sonne, dann wieder Regen, keine Voraussetzungen für schnelle Runden. Aber Hauptsache, das Baby schnurrt wieder.

Von Freitag auf Samstag Nacht herrschte dann TTRS-Wetter. Petrus hatte die Dusche laufen lassen und die Wassertropfen hämmerten an die Scheiben meines Hotelzimmers im Dorint. Musik in meinen Ohren und ich schlief beruhigt ein.

Am nächsten Morgen war der erste Gang zum Fenster. Gardinen auf und Wetter „checken“. Es war gar nicht gut. Es war trocken und für den Tag war Sommerwetter angekündigt.  Der Wettergott sollte doch wissen, unser Audi liebt Wasser…Wasser in jeder Form,… gesprüht, genieselt, in Tropfen oder auch in Sturzbächen aus geöffneten Schleusen. Und jetzt das!!! Na ja, für die Zuschauer ist es sicher angenehmer und so schlecht sind wir im Trockenen nun auch nicht. Ja, aber eine Top 10 wird damit nicht einfach. Die Konkurrenz hat 150-200PS mehr, natürlich auch 150Kg mehr Gewicht, aber das macht es ja gerade so spannend. Gewicht oder Leistung, das ist hier die Frage. Und die Zuschauer haben hoffentlich ihren Spaß bei der Auflösung, die 4 Stunden dauert.

Das Wasser der Nacht hatte sich noch nicht komplett von der Nordschleife zurückgezogen. Deshalb fuhr ich erst mal mit Regenreifen raus um kein Risiko einzugehen. Richtige Entscheidung. Die Strecke war an vielen Stellen noch richtig nass. Jürgen, als zweiter, versuchte es dann mit „Intermeds“. Ging schon besser, aber es war klar, die schnellen Runden würden ganz zum Schluss gefahren. So war es dann auch Christoph, der mit 8.43 min. den Audi nach vorne brachte. Erster in der Klasse, erster in Startgruppe 2 und 29. im Gesamt. Wieder ein Traumergebnis.

Christoph zu liebe hätten wir heute eigentlich die Reihenfolge mal umgestellt. Er den Start, damit er auch wirklich zum Fahren kommt. Jürgen Turn 2 und ich dann den Schluss. Aber Jürgen muss direkt nach seinem Turn zu einer Familienfeier. Also Jürgen 1, Christoph 2, Elmar 3. Hoffentlich kommen wir gut durch.

Wie immer lässt Jürgen nichts anbrennen. Von Startposition 1 der 2.Startgruppe ins Rennen gegangen, kann er schnell einen Vorsprung herausfahren. Nur Daniela Schmid aus Östereich mit dem TTRS der Fachhochschule Köln kann im in der ersten Runde folgen. Jürgen brennt eine sensationelle 8.38min. in den Asphalt. Daniela folgt mit einer 8.43min… Das Mädel ist einfach großartig !!! Dann kommt erst mal lange nichts. Es ist schon ein Vorteil, wenn man die ersten beiden Runden freie Fahrt hat. Ab Runde 3 läuft man dann auf die  Langsameren der 1.Startgruppe auf und dann beginnt das Überholen und das kostet richtig Zeit.

Der Rest der Startgruppe 2 hat sich schon am Ende von Start/Ziel selber in Schwierigkeiten gebracht.. Der TTRS von Heinz Schmersal mit „TIGER“ am Steuer bremste die Mercedes Arena viel zu spät an und krachte in den „funkelnagelneuen“ TTRS der Kovac/Tschornia-Truppe. Die Situation erinnerte ein wenig daran als Dirk Adorf  vor einigen Jahren mit dem V8-Star den Manthey- Porsche genau an der gleichen Stelle abgeschossen hat. Für den „Verursacher „Tiger“ ging es weiter, für den „Getroffenen“ leider nicht.

Runde für Runde vergrößert Jürgen den Abstand zum 2ten in unserer Klasse.  Nach 9 Rennrunden liegt unser TTRS sensationell  auf Position 9 im Gesamt.. Super Leistung !!!Natürlich  ist dieser Platz etwas geschönt durch den späten Stopp, aber ein Platz unter den Top 15 sollte auch bei trockenem Wetter heute möglich sein.

Jürgen ist nach 9 Rennrunden „fix und alle“. Die Temperaturen in unserem Audi liegen bei über 60 Grad. Aus der Helmbelüftung kommt leider nur „heiße Luft“. Das müssen wir für das 24H unbedingt verbessern.

Christoph übernimmt hochmotiviert.  Der Stopp war nicht optimal. Liebes Team da haben wir Zeit verloren , da müssen wir besser werden. Schon die Outlap in unter 11.30 min. zeigt was er heute vor hat.. Mit einer Bestzeit von 8.39min. und das im Verkehr, unterstreicht er eindrucksvoll seine Extraklasse. Runde für Runde geht es weiter nach vorne. Wir verfolgen seinen Vormarsch an den Bildschirmen in der Box. 27. Wenn ich uns so da sehe, wie wir auf die Fernseher starren, auf denen eigentlich nur Zahlen stehen, die sich ab und zu verändern, muss ich innerlich schmunzeln. „Männer, die auf Bildschirme starren !“ Und das 4Stunden lang, beeindruckend, mit wie wenig wir doch zufrieden zu stellen sind.

In der letzten Runde seines Turns meldet sich Christoph unplanmäßig. Ausfall des ABS !!! Reset hat nur kurz geholfen…wahrscheinlich ist ein Radsensor beschädigt. Oft reicht schon ein aufgewirbeltes Stück Gummi, das den Sensor trifft . Strategie !!! Wenn der Schaden in 1 Minute repariert werden kann, dann wird repariert . Plan B, ich fahre ohne ABS !!!  Christoph fährt grandios. Auf Position 15 bringt er den Audi zum letzten Fahrerwechsel an die Box. Ich stehe bereit, das Kind nach Hause zu schaukeln. Auto Koooomt !!!! Christoph steuert den TTRS genau an die Stelle, die ihm Thomas anweist. Beim Anfahren der Box hat er schon die Gurte gelöst. Er springt raus und nimmt seine Trinkflasche mit.. Christoph hilft mir dann beim „Einsteigen“. Er weiß genau was zu tun ist. Gurte schließen und festziehen, Funk einstöpseln, Helmbelüftung anschließen, Sicherheitsnetz nicht vergessen, Türe schließen, Spiegel kontrollieren…fertig….fertig...fertig …Das Tanken dauert immer länger als der Fahrerwechsel. Neue Slicks sind auch schon aufgezogen, aber das Tanken dauert.. Plan B kommt zum Einsatz. Also ohne ABS !!!

Thomas gibt das Auto frei !!! Ja nicht den Motor abwürgen beim losfahren. Der 1 Gang ist sehr lang übersetzt. Drehzahl erhöhen und mit schleifender Kupplung Fahrt aufnehmen. Geschafft !!! Mit max. 60Km/h bis zur Boxenausfahrt und jetzt Vollgas. Nicht über die weise Linie fahren und auf den Verkehr von hinten achten. Alles hat perfekt funktioniert. Wir sind wieder auf der Strecke für das letzte Drittel.  Mercedes-Arena und Querspange sind nicht meine Lieblingsabschnitte. Hier spürt man am stärksten die Nachteile des Frontantriebes. Geduld beim Einlenken und beim Gas geben sind gefragt. Zu früh Eingelenkt, dann stimmt die ganze Kurve nicht mehr. Zu stark aufs Gas ruiniert nur die Vorderreifen. Also eigentlich ist unser TTRS kein Auto für den Grand-Prix-Kurs. Aber wenn es auf die Nordschleife geht, ist er in seinem Element. High Speed Kurven wie Flugplatz und Schwedenkreuz, Wechselkurven wie Wippermann und Anfahrt Schwalbenschwanz, da liegt der Audi wie das sprichwörtliche Brett.

Mit einer Auslaufrunde von 12.08 min. verliere ich gut  40 Sekunden. Neben dem ABS Ausfall habe ich zu Beginn meines Turns noch mit dem auf „Notprogramm“ stehenden „Mapping „ zu kämpfen. Die Gänge lassen sich über die Wippen nur in Verbindung mit der getretenen Kupplung wechseln. Die Kupplung wird normaler Weise nur für den 1 Gang benötigt. Mit Hilfe der Box konnte ich den Schalter ermitteln, mit dem ich wieder in den „Normalmodus“ wechseln konnte. Dann ging es wieder nach vorne. Mit meiner Helmbelüftung und der Trinkflasche an Bord sollte das kein Thema sein. Ich freue mich riesig auf meinen Einsatz..

 „Wochenend und Sonnenschein und dann mit dir im Wald allein…..“ . Na ja, schnell kann ich Jürgens Zustand verstehen, aus der Helmbelüftung kommt wirklich nur „heiße Luft“. Und die Trinkflasche hat sich schon in der ersten Kurve verabschiedet. Auch das muss bis zum 24H in Ordnung sein..

60 Grad im Auto, lange Unterwäsche unterm Rennoverall, Helm mit Styropor auf dem Kopf, Heißluftgebläse und nichts zu Trinken. Da hilft nur Ruhe. Nicht aufregen, Blutdruck mental senken und an Grönland denken. Es funktioniert !!! Mit meiner Rundenzeit von 8.45 min. bin ich unter diesen Umständen mehr als zufrieden. Ohne ABS bin ich in meinem Stint 14 Sekunden schneller als Adam Osieka auf dem FH TTRS und der hat beim letzten Rennen im Zweikampf mit Jürgen gezeigt, dass er zu den ganz Schnellen gehört. Das Anbremsen ohne ABS am Ende der High Speed Stellen ist immer etwas mulmig. Besonders das Anbremsen der Aremberg nach dem Schwedenkreuz. Aber auch beim Überholen, wenn man sich „reinbremst“. Hoffentlich blockieren nicht die Vorderräder, sonst kracht es !!! Ich schwitze wie ein Schwein, denke an Grönland und heize gerade über die Döttinger Höhe. Da erreicht mich der Funkspruch von Thomas Claas unserem Teamchef……“Rote Fahne…Rennabbruch…schlimmer  Abflug  hinter Antonius Buche. Ich sehe schon die gelben Fahnen. Runter mit der Geschwindigkeit. Ich fahre unter der Brücke bei Antonius Buche und vor mir sieht es aus wie auf einem Schlachtfeld !!!  Intervention Cars ,Rettungswagen, Streckenposten die wild umherlaufen. Sieht nicht gut aus. Im Schritttempo fahre ich an der Unfallstelle vorbei. War das mal ein BMW Z4 ???  Der Rennabbruch war richtig. Sicherheit geht immer vor. Ich fahre in den Parc- Ferme. Thomas erwartet mich mit einer Flasche Wasser. Trotz Grönland kann ich die jetzt gut gebrauchen. Klassensieg !!! 13. im Gesamt !!! Mehr war heute nicht drin. Wir haben wieder alle einen super Job gemacht und das Baby heil nach Hause geschaukelt. 24H kann kommen, wir sind bereit. Ziel: Besser als 15., Traum: Top Ten.

Bis in 3 Wochen, Grüße aus Grönland….nein, aus dem trauernden Kaiserslautern (Abstieg)

 

Euer Elmar

 

PS: Ach ja, einen habe ich noch. Lothar Christen hat mich beim Warten auf meinen Stint gefragt, wo die höchste Stelle der Nordschleife ist. Wie sicher die meisten habe ich mit „Hohe Acht“ geantwortet..

Falsch, die höchste Stelle ist bei T13. Das ist die Tribüne an der Ausfahrt zur Nordschleife. Das Ende der alten Nordschleifen Start/Ziel ist also mit 620m der höchste Punkt.  Ja, wieder was gelernt.

 

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